Geologie kommt vor Politik

    Am Montag, dem 12. September gab die Nagra bekannt: Nördlich Lägern ist der Standort mit den grössten Sicherheitsreserven. Dort soll das Tiefenlager für nukleare Abfälle gebaut werden. 

    (Bilder: Nagra) Bohren am Tiefenlager

    Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) schlägt Nördlich Lägern als Standort für ein Tiefenlager vor. Umfangreiche Untersuchungen haben gezeigt: Nördlich Lägern ist der beste Standort mit den grössten Sicherheitsreserven.

    Die Qualität des Gesteins ist dort am höchsten, es schliesst den radioaktiven Abfall am besten ein – heute und in ferner Zukunft. Während sich die Landschaft an der Erdoberfläche verändert, bleibt das Tiefenlager im Untergrund in Nördlich Lägern am besten geschützt, weil das Gestein dort am stabilsten ist. Zudem ist der geeignete Bereich im Untergrund von Nördlich Lägern am grössten – und damit auch die Flexibilität beim Bau des Lagers.

    Wo ist Nördlich Lägern?
    Das Gebiet Nördlich Lägern liegt im Zürcher Unterland in der Nordschweiz. Der Eingang zum Tiefenlager, die sogenannte Oberflächenanlage, soll im Gebiet Haberstal in der Zürcher Gemeinde Stadel gebaut werden.

    Dieser Standort wurde in Zusammenarbeit mit der Region und dem Kanton bestimmt. Die Verpackungsanlagen für den radioaktiven Abfall plant die Nagra beim bereits bestehenden Zwischenlager (Zwilag) in Würenlingen. Dort bieten sich Synergien mit dem Zwischenlager und ökologische Vorteile.

    Das Modell eines Tiefenlagers wie es in Nördlich Lägern gebaut werden soll.

    Alle Gebiete geeignet, aber Nördlich Lägern am besten
    Die Untersuchungen der Nagra haben auch gezeigt: In allen drei untersuchten Regionen – Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost – könnte ein sicheres Tiefenlager gebaut werden. Nördlich Lägern ist aber der sicherste Standort.

    Mit dem Standortvorschlag revidiert die Nagra eine frühere Bewertung. 2015 hatte sie in Nördlich Lägern aus der damaligen Datenlage bautechnische Nachteile abgeleitet. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) beanstandete, diese Nachteile seien nicht ausreichend mit Daten untermauert. In der Folge wurden alle drei Gebiete ausführlich untersucht. Fazit aufgrund der Ergebnisse: Die damalige Bewertung der Nagra war zu vorsichtig.

    Wie weiter?
    Nach Jahrzehnten der Forschung sind die Grundlagen für das Jahrhundertprojekt Tiefenlager geschaffen. Die Nagra erarbeitet nun bis voraussichtlich 2024 die Rahmenbewilligungsgesuche, die beim Bund eingereicht werden.

    Anschliessend prüfen Behörden und Expertengremien die Gesuche, bevor der Bundesrat und das Parlament darüber entscheiden. Kommt ein Referendum zustande, hat das Schweizer Stimmvolk das letzte Wort. Bis die ersten Abfälle eingelagert werden, dauert es noch rund dreissig Jahre. 

    Henrique Schneider

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    Warum Tiefen­lager?

    Der radioaktive Abfall der Schweiz stammt zu rund vier Fünfteln von den Kernkraftwerken, ein Fünftel fällt in der Medizin, der Industrie und der Forschung an. Angenommen, die Kernkraftwerke laufen sechzig Jahre lang, dann fallen insgesamt rund 82’000 Kubikmeter Abfall an, inklusive Verpackung. Das entspricht knapp zwei Dritteln des Volumens des historischen Teils der Zürcher Bahnhofshalle.

    Man unterscheidet zwischen hochaktiven sowie schwach- und mittelaktiven Abfällen. Rund 10 Prozent sind hochaktiv: Dabei handelt es sich hauptsächlich um verbrauchte Brennelemente und verglaste Abfälle aus der Wiederaufarbeitung.

    Die restlichen rund 90 Prozent sind schwach- und mittelaktiv und stammen grösstenteils aus dem Betrieb und dem Rückbau der Kernkraftwerke und zu einem kleineren Teil aus verschiedenen Anwendungen in Medizin, Industrie und Forschung.

    Diese radioaktiven Stoffe müssen so lange sicher eingeschlossen werden, bis die Radioaktivität so weit abgeklungen ist, dass sie nicht mehr gefährlich ist. Am Anfang geht dieser Prozess schneller: Nach 1000 Jahren sind noch gut 1,5 Prozent der Radioaktivität übrig. Mit der Zeit klingt sie immer langsamer ab. Hochaktiver Abfall strahlt nach 200’000 Jahren noch so wie das einst abgebaute Uranerz. Schwach- und mittelaktive Abfälle strahlen weniger lang: Nach rund 30’000 Jahren sind sie etwa noch so radioaktiv wie Granitgestein.

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